Kosten/Nutzen

Vorbemerkungen
Mit dem Ausbau einer vorbildlichen Verkehrsinfrastruktur zum Zwecke der Verbindung von Wohnen und Arbeiten in Leverkusen wurde vor Jahrzehnten auch ein sehr gut ausgebautes Radwegenetz verwirklicht, da seinerzeit das Fahrrad vor allem für die Beschäftigten des Bayerwerks („das rote Rad“) und anderer Industriebetriebe (Wuppermann, Eumuco, IW Müller etc.) noch ein bevorzugtes Nahverkehrsmittel war.

Mit der raschen Zunahme der (Auto-)Mobilität wurde das Fahrrad immer mehr verdrängt, zugleich wurde entsprechend weniger in den Erhalt des Radwegenetzes investiert. Gleichwohl ist Leverkusen seit vielen Jahren Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der „fahrradfreundlichen Städte“.

Die Balkantrasse
Bis in die 1980er Jahre wurde die historische Bahnlinie 411 („Balkantrasse“) vom Bahnhof Opladen über Burscheid und Wermelskirchen bis Remscheid-Lennep noch für den Personennahverkehr genutzt – mit abnehmender Tendenz, als mit Beginn der 1970er Jahre die heutige Burscheider Straße zwischen Opladen und Burscheid – dem Zeitgeist entsprechend – durchgehend begradigt und weitgehend parallel zur Bahnlinie geführt als Bundesstraße (B 232) für den schnellen Durchgangs- und Massenverkehr ausgebaut wurde. 

Im gleichen Maße, wie diese Verkehrsstraße den wachsenden Individualverkehr aufnahm, sank die Bedeutung des Personentransports auf der Bahnstrecke – in den 1990er Jahren wurde diese stillgelegt; auf Leverkusener Stadtgebiet wurden auch bald die Schienen entfernt. Viele Versuche, die Bahnlinie neu zu beleben, scheiterten. Weil die Deutsche Bahn die Bahnstrecke sich selbst überließ, wucherte die Trasse alsbald zu.

Neue Bahnstadt
Die „Neue Bahnstadt Opladen“ gründet auf einem Stück bedeutender Industriegeschichte in Opladen – dem ehemaligen Eisenbahn- und späteren Bundesbahn-Ausbesserungswerk. Generationen haben über 100 Jahre lang hier Arbeit gefunden und den Ruf der „Eisenbahnerstadt Opladen“ mitbegründet. Aus eben dieser „Gründerzeit“ stammt auch die so genannte Balkantrasse, die unmittelbar am ehemaligen Ausbesserungswerk/Bahnhof Opladen endet.

Insofern „passt“ auch diese Anbindung und würde sich nahtlos in die Neue Bahnstadt einfügen – mit direkter Anbindung an das „Grüne Kreuz“, die geplanten Grünflächen und –anlagen, die die Bahnstadt künftig gliedern sollen. Auch infrastrukturell macht die Anbindung der Balkantrasse an die Neue Bahnstadt Sinn.

Das FörderprogrammIn den Jahren 2007/08 legte das Land NRW ein Förderprogramm auf: das „Alleenradwegeprogramm“. Danach sollten solche und ähnliche stillgelegten Nebenstrecken der Bahn reaktiviert werden, indem diese Trassen zu Rad- und Wanderwegen ausgebaut werden. Mit der Durchführung des Förderprogramms wurde die Essener Bahnflächenentwicklungsgesellschaft (BEG) – eine Tochter des Landes und der Deutschen Bahn – beauftragt. Die BEG stellte das Programm vor, viele Kommunen zeigten sich interessiert, darunter auch Leverkusens Nachbarkommunen – und Anliegergemeinden der Balkanstrecke – Burscheid, Wermelskirchen und Remscheid. Alle drei Städte haben das Projekt mittlerweile beschlossen, der Rad- und Wanderweg wird zwischen Burscheid-Kuckenberg und Remscheid mit öffentlicher Förderung gebaut. Es fehlt der – mit Blick auf das regionale Radwegenetz  zwingend notwendige - Lückenschluss in Leverkusen.

Vorteile und Nutzen
Das Radfahren auf stillgelegten Bahntrassen erfreut sich landes- und bundesweit zunehmender Beliebtheit. Vor allem in ländlichen, strukturschwachen Regionen wird dieses Segment der Urlaubs- und Freizeitgestaltung längst als harter Wirtschaftsfaktor verstanden und gezielt von der Tourismusbranche vermarktet.

Die Chancen, solch einen Tourismusmagneten auch in einem Ballungsgebiet zu installieren, erscheinen vor allem für Leverkusen reizvoll – zur Image-Verbesserung ebenso wie als „weicher“ Standortfaktor für die Wirtschaftsförderung.

“Spinne im Netz“
Das Leverkusener Teilstück der Balkantrasse stellt den Lückenschluss zwischen weiträumige Radwegenetze vom Ruhrgebiet über das Sauer- und Siegerland bis ins Bergische Land einerseits sowie der Rheinschiene mit Anschluss an die Eifel und den Niederrhein anderseits dar. Diese Radwegenetze werden immer weiter und feinmaschiger ausgebaut. Insofern würde Leverkusen buchstäblich zur „Spinne im Netz“ und könnte Besucher aus dem Bergischen ebenso wie aus Köln (Köln-Tourismus) und der Rheinschiene insgesamt binden – mit allen positiven Folgen.

Mehrwert durch Radtourismus
Radfahrer sind keine „Durchgangstouristen“ wie Autourlauber; sie stillen Hunger und Durst vor Ort, sind deshalb als Kunden für Handel und Gastronomie besonders attraktiv. Radtouristen sind auch sehr interessiert an Attraktionen längs der Strecke, die sie abradeln. Dies kann für Leverkusen zum Gewinn werden, indem lokale Sehenswürdigkeiten und kulturelle Angebote besser vermarktet werden können.

Vor allem Bergisch Neukirchen und Opladen als Endpunkt der Trasse können profitieren: von Besuchen in Gaststätten, Restaurants und Dienstleistungsbetrieben ebenso wie von Kunden  - vor allem in den Geschäften der Opladener Fußgängerzone und darüber hinaus. An der Trasse verteilte Wegweiser/ Einkaufsführer können das noch befördern. Neuere Untersuchungen, die die Besuchsfrequenz beim Wert der Einkäufe berücksichtigen, zeigen, dass Radfahrer besonders viel Geld beim Einzelhandel lassen. Devise: Einkaufen vor Ort statt mit dem Auto entfernte Einkaufszentren/Verbrauchermärkte anzusteuern.

Image-Förderung
Wenn die Balkantrasse eingebunden ist in das lokale (Leverkusener) Gesamtradwegenetz, kann die ganze Stadt davon profitieren, dass Radtouristen ihre Touren vielfach nicht als reines Freizeitvergnügen planen, sondern gezielt auch Sehenswürdigkeiten ansteuern. So werden viele Attraktionen Leverkusens für Besucher aus dem ganzen bergischen Raum (Oberberg, Rheinisch-Bergischer Kreis, die Städte Solingen, Remscheid, Wuppertal) in den Blickpunkt gerückt.

Beispiele: 

  • Hitdorf und Rheindorf (als historische Dörfer und beliebte Ausflugsziele) am Rhein
  • Neulandpark mit Rheinufer und attraktiver Anbindung an Wiesdorf (Rathaus-Galerie!)
  • Schiffsbrücke in der alten Wuppermündung
  • Japanischer Garten und weitere Highlights entlang der Dhünn – von der BayArena, über Schloss Morsbroich bis zum Sensenhammer

Was aus Richtung bergisches Land funktioniert, gilt ebenfalls für die Gegenrichtung – also die zu erwartende „Abschöpfung“ von Radtouristen von der Rheinschiene, aus Köln („Köln-Tourismus“) und darüber hinaus. Wiesdorf bzw. Opladen sind z.B. von Köln aus binnen 15 – 20 Minuten bequem mit der Deutschen Bahn zu erreichen. In den Nahverkehrszügen ist die Radmitnahme durchweg möglich, so dass Tagesausflügler ihre Rückreise jeweils mit der Bahn  erledigen können.

Dabei kann und sollte natürlich Leverkusen auch selbst aktiv werden, um auswärtige Besucher auf dem Fahrrad über die Balkantrasse in die Stadt zu holen:

Aus Richtung Bergisches Land mit dem Lockmittel, am Ende der Balkantrasse auf ruhigen Fluss-Radwegen entlang von Wupper und Dhünn bis zum Rhein fahren zu können – und evtl. weiter Richtung Köln/Bonn oder Düsseldorf;

Aus Richtung Köln mit der Aussicht, binnen kürzester Zeit einen zu allen Jahreszeiten wunderschönen Ausflug in Bergische Land unternehmen zu können (Einbindung von „Köln-Tourismus“).  

Sichere Infrastruktur
Neben allen regionalen und überregionalen, ökonomischen Aspekten darf der lokale Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit für Radfahrer nicht zu kurz kommen. Auf der gesamten Länge der Burscheider Straße gibt es keinen Radweg, nicht einmal einen Schutzstreifen. Selbst solch ein sog. Schutzstreifen böte auf dieser außerordentlich stark – und häufig zu schnell - befahrenen Straße kaum echte Sicherheit. Insofern stellt ein Radweg auf der Balkantrasse ein geradezu notwendiges Stück sicherer Infrastruktur dar.

Vor allem für Schüler ist das Radfahrern eine große Mobilitätschance, die vor dem Hintergrund zunehmenden Bewegungsmangels sogar gezielt gefördert werden müsste (Gesundheitsvorsorge). In Opladen sind zahlreiche Schulen ansässig, die auch von vielen hundert SchülerInnen aus dem Umland besucht werden; insbesondere Bergisch Neukirchen und Burscheid werden geradezu ideal an Opladen angebunden.

Auch für Studenten, die demnächst in der Neuen Bahnstadt studieren und im Umland wohnen, ist die Balkantrasse attraktiv. 

Wohnen und Arbeiten
Das Gleiche gilt wiederum mit Blick auf den Bereich „Wohnen und Arbeiten“: In Opladen und Bergisch Neukirchen sind zahlreiche Firmen ansässig, deren Arbeitsplätze bequem und sicher mit dem Rad erreicht werden können („Mit dem Rad zur Arbeit“). Insofern bietet die Balkantrasse verbesserte Bedingungen für das Zusammenspiel von Arbeiten und Wohnen, auch die Neue Bahnstadt wird bestens an den bergischen Teil Leverkusens angebunden.

Eine familienfreundliche Infrastruktur bedeutet ein Mehr an Lebens- und Wohnqualität und schafft erhöhte Anreize, dass Familien sich bevorzugt in diesen Stadtquartieren ansiedeln. Dazu tragen nicht zuletzt die gute Erreichbarkeit des neuen Freizeitbades Wiembachtal und von NaturGut Ophoven mit dem Fahrrad bei. Weniger Autoverkehr in diesem Bereich bedeutet eine geringere Belastung für die Anwohner (Ev. Altenheim!).

Klima und Lärmschutz
Nicht zuletzt allgemeine Aspekte des Klima- und Lärmschutzes sprechen zwingend für den Ausbau der Balkantrasse zu einem Rad- und Wanderweg. Gute Radwegeverbindungen werden bevorzugt als Alternative zum Kfz.-Verkehr genutzt, deshalb sind weniger Stau und Verquälungen auf der Burscheider Straße zu erwarten, die Rennbaumstraße und der hoch frequentierte Kreisverkehr Rennbaumplatz wird entlastet.

Zum Thema Klimaschutz: Leverkusen betreibt ein Klimaschutzprogramm („Klimaschutz – jeder, jeden Tag“) und will dies auch weiter entwickeln. Mehr Radverkehr bedeutet weniger CO2-Belastung und weniger Feinstaub und Schadstoffe.

Lärmschutz: Mehr Radverkehr bedeutet ebenso weniger Lärm und unterstützt damit Leverkusens Bemühungen für einen verstärkten Lärmschutz (Lärmschutzprogramm).

Schlussbemerkung
Auch ohne teure Gutachten für eine Kosten-Nutzen-Analyse dürfte angesichts aller hier dargestellten – und sicherlich nicht vollzähligen – Aspekte pro Balkantrasse die Bilanz nicht schwer fallen:

Der Ausbau zu einem Geh- und Radweg, der über das erwähnte Förderprogramm die Kommune nur rund 400.000.- Euro kosten würde, stellt eine - schon jetzt absehbar - lukrative Investition dar.

Nach einer Studie des Europäischen Tourismus-Instituts an der Universität Trier über die „Regionalwirtschaftlichen Effekte des Radtourismus in Rheinland-Pfalz“ amortisieren sich die Ausbaukosten solcher Radwege binnen weniger Jahre – gemessen an der Wertschöpfung und Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Der besondere – lokale - Vorteil der Balkantrasse: Leverkusen könnte zur Drehscheibe für den Radtourismus sowohl aus dem Bergischen wie aus dem Rheinland werden und somit Ziel für Tagesgäste und Radwanderer gleichermaßen sein. (Jürgen Wasse)